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Syndicom und Unia sind die teuersten Gewerkschaften der Schweiz

20. September 2020 durch
Syndicom und Unia sind die teuersten Gewerkschaften der Schweiz
SBN Services, Sébastien Bourquin

In den Nachbarländern der Schweiz arbeiten die Gewerkschaften mehrheitlich mit einfachen und einkommensabhängigen Mitgliedsbeiträgen. Viele grosse Gewerkschaften wie Ver.diIG MetallCGT und GPA-DJP zum Beispiel verlangen von ihren Mitgliedern einen Beitrag von 1.0% ihres Bruttoeinkommens. In der Schweiz ist mir keine Gewerkschaft bekannt, welche ein solches Beitragssystem verwendet. Doch ganz sicher war ich mir nicht, weshalb ich die Mitgliedsbeiträge von 12 Schweizer Gewerkschaften und Personalverbänden genauer angeschaut habe. Das Ergebnis dieser Analyse ist im folgenden Artikel zusammengefasst. 

Für die Analyse habe ich mir die Beitragssysteme von folgenden 12 Gewerkschaften und Personalverbänden näher angeschaut:

Angestellte SchweizKV SchweizPVBSBPVSEVSITSSMSynasyndicomTransfairUnia und VPOD

Dabei habe ich die monatlichen Mitgliedsbeiträge für die Jahreseinkommen von 20 KCHF, 40 KCHF, 60 KCHF, 80 KCHF und 100 KCHF errechnet und mit dem Sozialfaktor des Beitragssystems verglichen. Dieser Faktor erhält den Wert 1, wenn alle Mitglieder den gleichen Anteil von ihrem Einkommen als Beitrag an ihre Gewerkschaft bezahlen. Bezahlen die Mitglieder mit tiefem Einkommen proportional mehr als Mitglieder mit hohen Löhnen, dann beläuft sich der Wert des Faktors zwischen 1 und 5. Schliesslich erhält der Sozialfaktor den Wert 5, wenn die Gewerkschaft oder der Personalverband den gleichen Mitgliederbeitrag von allen Mitgliedern verlangt. Berechnet wird der Faktor konkret wie folgt: Mitgliederbeitrag für Einkommen von 20 KCHF / 20 KCHF geteilt durch Mitgliederbeitrag für Einkommen von 100 KCHF / 100 KCHF.

Da einige Gewerkschaften und Personalverbände Beitragsrabatte für Teilzeitbeschäftigte, und dies unabhängig von ihrem Einkommen, gewähren, wird für die Berechnung solcher Beiträge ein Jahreseinkommen von 52 KCHF für ein 100%-Pensum angenommen.

Absolute Mitgliedsbeiträge

Schauen wir uns nun die monatlichen Mitgliederbeiträge in Franken für die fünf Einkommenskategorien an:

Einheitsbeiträge

Als erstes fällt auf, dass drei Gewerkschaften bzw. Personalverbände mit lohnunabhängigen Mitgliederbeiträgen arbeiten. Angestellte SchweizKV Schweiz und der SBPV gehören mit diesen Fixbeiträgen zu den günstigsten Verbänden in unserer Stichprobe. KV Schweiz hat unterschiedliche Beiträge je nach Region. In dieser Analyse wurde der Mitgliederbeitrag der Region Luzern von CHF 170 pro Jahr verwendet. Dieser Beitrag scheint durchschnittlich zu sein.

Rabatt für Teilzeitbeschäftigte

Der SEV gewährt einen Rabatt von 50% für Mitglieder mit Arbeitspensen unter 50%. Ansonsten verwendet die Gewerkschaft des Verkehrspersonals einen Einheitsbeitrag. Zusätzlich werden Unterverbands- und Sektionsbeiträge in unterschiedlicher Höhe verrechnet, was einen Vergleich mit anderen Gewerkschaften fast verunmöglicht. Für diese Analyse habe ich den Durchschnittsbeitrag aller Sektionen verwendet. Ein ähnliches Beitragssystem ist auch im Personalverband Transfair in Kraft. Dort gibt es einen Einheitsbeitrag von 33 Franken ab einem Arbeitspensum von 60%. Weiter gibt es Kategorien für Arbeitspensen bis 20%, 20 bis 40% und 40 bis 60%. Und um es noch komplizierter zu machen, verfügt der Personalverband noch über unterschiedliche Beitragstabellen für die Branchen Communication und öffentlicher Verkehr. Der PVB gewährt ebenfalls einen Rabatt von 50% auf den Mitgliederbeitrag, falls das Mitglied weniger als 75% arbeitet. Ansonsten beträgt der Einheitstarif 32 Franken pro Monat.

Abgestufte Beitragssysteme

Die Gewerkschaften SSMSynasyndicomUnia und VPOD haben nach Einkommen abgestufte Mitgliederbeiträge im Angebot. Sie zeichnen sich alle durch ihre Degressivität aus. Je mehr ein Mitglied verdient, umso tiefer fällt die prozentuale Belastung aus. Sie unterscheiden sich durch die Anzahl der Beitragskategorien (9 für Syna und VPOD, 11 für syndicom und 17 für Unia) und der Bandbreite ihres Beitragssystems. Bei Syna bezahlen Mitglieder den Maximalbeitrag bereits mit einem Jahreseinkommen von 60 KCHF. Unia setzt diese Limite bei 78 KCHF fest, syndicom bei 100 KCHF und der VPOD erst bei 123 KCHF.

Proportionale Beiträge

Die Genfer Gewerkschaft SIT fällt in dieser Studie ganz aus dem Rahmen. Als einzige der 12 untersuchten Verbände arbeitet sie mit einem proportionalen Beitragssystem. Alle Mitglieder bezahlen ungefähr 0.7% ihres Jahreseinkommens. Gegen oben gibt es keine Begrenzung, womit Mitglieder mit hohen Einkommen weit mehr als in anderen Gewerkschaften bezahlen.

Zum Abschluss und zu Vergleichszwecken werden auch die Mitgliederbeiträge von europäischen Gewerkschaften aufgelistet. Sie finden sich unter dem Namen Europa* in den Tabellen und Diagrammen. Diese Gewerkschaften verlangen von ihren Mitgliedern einen zum Jahreseinkommen proportionalen Beitrag von 1 %. Mit dieser einfachen Regel verzichten sie auf Beitragstabellen und kennen auch keine Begrenzung der Beiträge nach oben.

Relative Mitgliederbeiträge

Werden die Mitgliederbeiträge mit dem entsprechenden Jahreseinkommen verrechnet, erhält man die relativen Mitgliederbeiträge. Diese werden in der nächsten Tabelle ausgewiesen. 

Die Mitgliederbeiträge auf einer Positionskarte

Richtig interessant wird der Vergleich der Mitgliederbeiträge der Schweizer Gewerkschaften und Personalverbände, wenn diese auf einer Positionskarte dargestellt werden. Ich habe dies mit den durchschnittlichen Mitgliederbeiträgen aller errechneten Einkommensklassen (20, 40, 60. 80 und 100 KCHF) angestellt. Auf der X-Achse sind die Gewerkschaften nach Sozialfaktor platziert. Auf der Y-Achse befindet sich der durchschnittliche Mitgliederbeitrag in Prozent des Einkommens.

Oben links befindet sich der Punkt für die europäischen Gewerkschaften. Der durchschnittliche Mitgliederbeitrag beträgt 1% und alle Mitglieder bezahlen den gleichen Anteil ihres Einkommens an die Gewerkschaft. Unia und syndicom sind mit Werten über 0.9% die nächstplatzierten Gewerkschaften, was die durchschnittlichen Mitgliederbeiträge anbelangt. Hingegen befinden sie sich auf der Sozialfaktor-Achse viel weiter rechts, da die tiefen Einkommen prozentual deutlich mehr als die hohen Einkommen an die Gewerkschaft abliefern.

 

Durchschnittliche Mitgliederbeiträge

Für die folgende Positionskarte wurden die durchschnittlichen relativen Mitgliederbeiträge über alle fünf Einkommensklassen berechnet. Zusammen mit der Position auf der X-Achse, welche Auskunft über den Sozialfaktor des Mitgliederbeitragssystem gibt, kann man sich so schnell ein Bild verschaffen. Die europäischen Gewerkschaften sind mit einem Durchschnitt von 1% die teuersten unter den untersuchten Verbänden. Sie werden gefolgt von syndicom und Unia, welche beide im Durchschnitt mehr als 0.9% des Jahreseinkommens von ihren Mitgliedern für eine Mitgliedschaft verlangen. Der VPOD platziert sich gleich unter der 0.9%-Schwelle mit einem Durchschnittswert von 0.88%. Die nächsten sechs Gewerkschaften SITSSMSynaTransfair,  SEV und PVB ordnen sich alle leicht über, auf oder unter der 0.7%-Marke. Auf den letzten Rängen befinden sich schliesslich die Verbände SBPVKV Schweiz und Angestellte Schweiz. Sie wenden alle Einheitstarife an. 

Mitgliederbeiträge für Jahreseinkommen von 20 KCHF

Wenn man die Positionskarte für das tiefe Jahreseinkommen von 20 KCHF betrachtet, stellt man eine leicht andere Verteilung fest. Mit Abstand am teuersten für diese Lohnkategorie ist syndicom. Mitglieder in dieser Einkommensklasse bezahlen beinahe 1.5% von ihrem Lohn. Mitglieder der Unia werden mit etwas mehr als 1.3% zur Kasse gebeten. Bei Syna bezahlen Mitglieder in dieser Lohnklasse etwas mehr als 1.2%, beim VPOD leicht weniger. In den europäischen Nachbarländern beträgt der Mitgliederbeitrag auch bei tiefen Einkommen 1%. Leicht mehr als 1% bezahlen Mitglieder mit diesem Einkommen beim SEV. Zwischen 0.9% und 1% liegen die Mitgliederbeiträge von TransfairPVB und SBPV. Beim SSM bezahlen Teilzeitangestellte mit einem tiefen Jahreseinkommen 0.9% ihres Lohnes. Etwas günstiger ist KV Schweiz. Das Schlusslicht bilden schliesslich die Gewerkschaft SIT und Angestellte Schweiz, welche beide knapp 0.75% von ihren Mitgliedern mit einem Jahreseinkommen von 20 KCHF verlangen. 


Mitgliederbeiträge für ein Jahreseinkommen von 60 KCHF

Bei der Positionskarte für Einkommen von 60 KCHF ist die Reihenfolge leicht anders. Die teuersten Mitgliederbeiträge trifft man in den europäischen Gewerkschaften an. Von den Schweizer Gewerkschaften ist weiterhin Unia die teuerste. Ihre Mitglieder bezahlen knapp 0.9% ihres Einkommens. VPOD und syndicom belegen die Plätze zwei und drei. Deren Mitglieder bezahlen etwas mehr als 0.8%. Als nächstes folgen Syna und SIT, welche 0.74% respektive 0.71% des Einkommens als Mitgliederbeitrag einkassieren. SEVSSMPVB und Transfair liegen alle zwischen 0.6% und 0.7%. Deutlich weiter unten und um die 0.3%-Marke platzieren sich die Einheitstarif-Verbände SBPVKV Schweiz und Angestellte Schweiz

 

Mitgliederbeiträge für Einkommen von 100 KCHF

Für die höchste Einkommensklasse ist die Reihenfolge nochmals anders. Die europäischen Gewerkschaften sind auch hier die Spitzenreiter mit 1%. An zweiter Stelle folgt SIT mit einem relativen Beitrag von 0.71%. Danach folgt ein Quartett zusammengesetzt aus VPODsyndicomUnia und SSM, welche zwischen 0.60% und 0.63% verlangen. Bereits unter der 0.5%-Marke liegen die Verbände SynaSEVPVB und Transfair. Sogar unter der 0.2%-Marke befinden sich schliesslich die Mitgliederbeiträge von SBPVKV Schweiz und Angestellte Schweiz

 

Fazit

Die detaillierte Untersuchung der von Schweizer Gewerkschaften und Personalverbänden praktizierten Mitgliederbeiträge hat grosse Unterschiede zu Tage gebracht. Im Vergleich zu Europa ist das Beitragsniveau in der Schweiz deutlich tiefer. Die meisten Verbände liegen im Durchschnitt um die 0.7%-Marke, während Mitglieder von europäischen Gewerkschaften oft 1% ihres Lohnes für eine Mitgliedschaft aufwenden. Inwieweit der Dienstleistungsumfang in Europa breiter als in der Schweiz ist, werde ich in einem späteren Post untersuchen. Hohe Einkommen werden mit der Ausnahme von SIT allgemein weniger zur Kasse gebeten als Mitglieder mit tiefen Einkommen. Dies bedeutet auch, dass Teilzeitangestellte anteilsmässig in der Regel mehr bezahlen als Vollzeitangestellte. 

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Quellen für die Berechnungen